Berührungslos
verlosch im Baum der Schnee

Lyrik und Prosa
Stimmen aus Sachsen

2 CD (DDD, 2h 21`50")


Jörg Jacob: "Fortgesetzter Versuch"
Utz Rachowski: "Mein schwarzer Fluß", "Requiem"
Thomas Pletzinger: "Justus Jonas schleicht voran"
Undine Materni: "Regen. Blau"
Uwe Claus: Dresden. Fünf Haikus: "Sommerabend", "Vorm Arbeitsamt", "Friedhof Gittersee", "Christuskirche", "Morgentoilette"
André Hille: "Liebe"
Eleonora Hummel: "Die Venus im Fenster"
Andreas Reimann: "Der Wartende", "Schatten", "Nekrolog"
Jayne Ann Igel: "Prosodie der Kellergänge"
Jörg Schieke: "Aus dem Regen", "Was sich gut eignet"
Jörg Bernig: "Der Liebhaber"
Jens Wonneberger: "Plumpen-Max"
Norbert Weiß: "Geschichten um Pol"
Jan Kuhlbrodt: "Stötzer", "Er hat die Gewissheit", "Sein Beutel"
Christian Hussel: "Der Turmspringer"
Anke Stelling: "Für Juri Gagarin..."
Michael Wüstefeld: "Der Dichter", "Kalauer", "Über den Dingen",
"An die Kollegen", "Lebenswerk"

Róza Domascyna: "Blablabla"
Martina Hefter: "Mecklenburg 1991", "Unsichere Gebiete"
Michael G. Fritz: Venezianische Miniaturen: "Correre espresso",
"Vorrei vedere", "Hinter sieben Brücken", "Hemingway"

Thomas Böhme: "Alle Reisen enden...", "Gefälschte Gärten",
"Verse im hellen Licht"

Anna Kaleri: "Die Wärterin"
Uwe Tellkamp: "Der Turm"
Thomas Rosenlöcher: "Da ich den", "Echo", "Das Flockenkarussell"



Hörbücher gewinnen einen zusätzlichen Reiz, wenn Autoren ihre Texte selbst vortragen. Die Doppel-CD "Berührungslos verlosch im Baum der Schnee", erschienen zum zehnjährigen Jubiläum der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, vereint 24 Dichter, Erzähler und Romanciers, die zwischen 1946 und 1975 geboren wurden und ihren Lebensmittelpunkt im Sächsischen gefunden haben. Alle Autoren gehören zu den geförderten Stipendiaten.

Zu denen, die sich in der Lyrik längst einen Namen gemacht haben, zählen Thomas Böhme, Undine Materni, Utz Rachowski, Andreas Reimann, Thomas Rosenlöcher und Michael Wüstefeld. Unter den Prosaautoren befinden sich Jörg Bernig, Michael G. Fritz, Uwe Tellkamp, Norbert Weiß und Jens Wonneberger. Ihnen gesellt sich Roza Domascyna zu, der mit "Blablabla" eine eindrucksvolle Alltagsgeschichte über das Verhältnis der Deutschen und Sorben gelingt.

Verdienstvoll, dass die Auswahl von Ralph Lindner und Norbert Weiß neue Autorinnen und Autoren berücksichtigt. Besonders die weiblichen Stimmen sind es, die aufhorchen lassen. Eleonora Hummel erzählt in "Venus am Fenster" nuancenreich von einer aus Kasachstan eingebürgerten jungen Frau, die nach Jahren ihre Schwester wiedersieht. Oder Anke Stelling mit "Für Juri Gagarin", dem bedrängenden Versuch, traumatisierende Suizide von ihr nahestehenden Menschen zu bewältigen. Oder Anna Kaleri mit der kapriziösen, fein ausgedachten Verführungsgeschichte "Die Wärterin".

Erwähnenswert aber auch männliche Stimmen: Die prägnanten "Turmspringer"-Miniaturen von Christian Hussel, Jörg Jacobs melancholischer "Fortgesetzer Versuch", Vorwendezeit zu erinnern, und Thomas Pletzingers nachwendezeitliche "Justus Jonas"-Episoden. Manche "Projektionen" hinterlassen freilich keine nachhaltigen Eindrücke. Bedenklich auch, dass die zeitkritischen Bezüge nur schwach ausgeprägt sind.

Eines haben die Texte gemeinsam: Sie weisen ein gutes literarisches Niveau auf und werden – im doppelten Wortsinn – von der eigenen Stimme getragen. Michael Wüstefeld "kalauert" in Anlehnung an Hölderlin: "Was bleibt aber von all den Dichtern?"
Erfreulich, dass bereits mehrere Hörbuch-Labels ihr Interesse angemeldet haben, die ursprünglich nur für den Zweck der Repräsentation vorgesehene CD auch in einer kommerziell angebotenen Auflage zu publizieren.

Rudolf Scholz (Sächsische Zeitung)